Imperialismus 2025 - Grandiose Destruktion

Im globalen Konkurrenzkampf der Nationen läuten Donald Trump und Wladimir Putin mit ihren aggressiven imperialen Bestrebungen eine neue Eskalationsstufe ein - Die imperialen Aggressionen Trumps und Putins sind Phänomene des Niedergangs

Donald Trump und Wladimir Putin haben sich viel vorgenommen. Während die US-Regierung Angriffe auf den Welthandel und gegen China führt, an der Demontage westlicher Bündnissysteme und zivilisatorischer Errungenschaften arbeitet und ihre Kolonisierungsbemühungen verstärkt, dauern die Kriege und das Morden des militärisch starken, wirtschaftlich aber nicht konkurrenzfähigen russischen Imperialismus zur Rekonstruktion des früheren sowjetischen Machtbereichs an. Dies treibt die dem Imperialismus inhärente Konkurrenz, die über Produktivität, Preise, Normen, Steuern, Auflagen, Schulden ausgefochten und beschönigend als „regelbasierte Weltordnung“ bezeichnet wird, auf eine neue Stufe.

Das Vorgehen beider Regierungen trägt die Keime des Niedergangs der eigenen Länder in sich, indem es die Reproduktion des Kapitalismus in Zeiten seiner derzeitigen industriellen Revolution, in der Investition und Konsum auf E-Mobilität, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz umgestellt werden, gefährdet. Es scheint, als ob die Präsidenten der größten Militärmächte vereinbart hätten, die Welt in den Abgrund zu stoßen und dabei ihre eigenen Länder nicht zu verschonen. Die Zölle verteuern Produktion und Konsum, die USA gefährden ihre Werkbänke in China und ihre Versorgung mit Seltenen Erden, ohne die mittlerweile nichts mehr geht, werden sie doch in jeder elektronischen Steuerung benötigt. Russland zwingt sich und das von ihm bedrohte Europa dazu, die Kriegswirtschaft (also den unproduktiven Anteil an der Wirtschaft) zu Lasten der Produktion verwertbarer Güter zu steigern. Die russische Aggression und der drohende Verlust US-amerikanischer Sicherheitsgarantien zwingen Europa so dazu, endlich selber Weltmacht zu werden – mit eigenem Abschreckungs- und Kriegspotential.

Der Trump-Clan hat mit dem Strafzoll von 145 Prozent auf Waren aus China, der auf das Ende der bilateralen Handelsbeziehungen hinausläuft, eine neue Phase im Kampf um die Hegemonie eingeleitet. China antwortet mit einem Rohstoffkrieg und droht allen Nationen, die „Deals“ mit den USA auf Kosten Chinas wagen sollten, mit „entschlossenen Gegenmaßnahmen“. Militärisch treffen die USA und China sich in den Gewässern um Taiwan, das China zu seinem Staatsgebiet zählt und wo – nebenbei – 60 Prozent aller und 90 Prozent der modernsten Chips produziert werden.

Im Vergleich zu den USA, deren Bruttoinlandsprodukt sich 2024 auf 29 Billionen US-Dollar belief und zu China, für das diese Kennzahl bei knapp 19 Billionen US-Dollar lag, hat Russland mit seinen zwei Billionen US-Dollar (pro Kopf gerechnet, ist das weniger als Ungarn oder Estland) im Konzert der Imperialisten eigentlich nichts zu suchen und macht deshalb durch Mord und Totschlag auf sich aufmerksam. Russlands Einnahmen sinken durch Ölverkäufe unter Weltmarktpreisen und durch die Kriegswirtschaft, in der Arbeitszeit, Material, Energie und Finanzen für die Produktion von Leichen vergeudet werden. Das „Totrüsten“ hat schon den Zerfall der Sowjetunion vorangetrieben. In den USA belastet das Militär auf sehr viel höherem Niveau den Staatsetat 2025 mit 13 Prozent, in Russland beträgt der Anteil 40 Prozent, so dass immer weniger Geld für Infrastruktur, Schulen, Verkehrsmittel, Stromleitungen, Krankenhäuser oder Gewinnung von Rohstoffen übrig ist.

Putin lehnt einen Waffenstillstand in der Ukraine nicht nur deshalb ab, weil er den alten Sowjetblock zusammenflicken will, sondern weil seine Kriege zum Erhalt Russlands in seiner bisherigen Verfasstheit beitragen. „Putin hat mehr Angst vor der Demokratie als vor der Nato“, resümiert der Militärexperte Carlo Masala. Russland wird durch den Rohstoffhandel, die Exekution von Abtrünnigen und Kriege, die das völkische Zusammenrücken erzwingen, zusammengehalten. Da jede Demokratie in der Nachbarschaft eine Gefahr darstellt, hilft Putin bei der Niederwerfung von Demokratiebewegungen von Belarus bis Kasachstan und will durch die Vernichtung der Ukraine allen zeigen, was ihnen blüht, wenn sie eine demokratische Verfassung und westliche Lebensweise anstreben sollten.

Während Putin und der russisch-orthodoxe Klerus die „Befreiung“ der Welt vom „liberal-kosmopolitischen und dekadenten Westen“ predigen, betreibt der Trump-Clan den Absturz der USA in einen christlich-fundamentalistisch geprägten Faschismus. Elon Musk zelebriert den Hitlergruß und prangert die Empathie als „fundamentale Schwäche der westlichen Zivilisation“ an. Sie sei die Waffe der Schwachen gegen die Erfolgreichen, der Sozialstaat sei Raub am Volksvermögen. Staatsanwälte, die an der Verurteilung der Kapitol-Stürmer beteiligt waren, werden entlassen, das Justizministerium will „antichristliche Verhaltensweisen“ identifizieren und beenden. Angst zu erzeugen, die ihrerseits Macht über Verängstigte ausübt, ist eine wirkungsvolle Herrschaftsmethode. Verteidigungsminister Pete Hegseth, ein Evangelikaler, hat den Schlachtruf der Kreuzfahrer – deus vult (Gott will es) –, die Massaker an Juden verübten, als Tattoo auf dem Arm. Evangelikale pflegen zum Judentum ein funktionales Verhältnis. Es soll bei der Vertreibung der Muslime helfen, sich in der „Endzeit“ aber gefälligst zum Christentum bekennen.

Der Trump-Clan verachtet Europa nicht nur, weil es nach 1945 im Schutz US-amerikanischer Sicherheit prosperierte (dafür nutzten die USA Deutschland als Drehscheibe für Operationen in alle Himmelsrichtungen), sondern weil es mehrheitlich am bürgerlich-liberalen Lebensmodell hängt, und die Ukraine, weil sie dafür kämpft, ein demokratisches Land sein zu können. Trump demütigte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, um der Welt zu zeigen, dass Schwache keinen Schutz verdienen. Unter anderem die Anweisung, dass europäische Firmen, die den US-Staat beliefern wollen, sich von Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion lossagen müssen, lässt den Bürgermeister von Barcelona, Jaume Collboni, von einer „reaktionären Lawine“ sprechen, die Trump „auf Werte, die wir verteidigen, niedergehen lässt“.

Mit Donald Trump wurde ein prätentiöser Führer vom moralischen und geistigen Format eines Schutzgeldeintreibers inthronisiert, der Aufklärung und Humanismus aus dem Land treibt, das Sozialsystem kappt und progressive Bewegungen der Verfolgung anheimgibt. Jeden Tag ein Dekret gegen Migranten, Diversität, Gleichberechtigung, Inklusion, Klimaschutz und „wokeness“. Dass der Führer anweist, wie der Mensch von Natur aus zu sein habe, gehört zu den Grundzügen des Faschismus. Ebenso die Teilung der Gesellschaft in das schlichte Volk, das dem Führer folgt, und die anderen, die der Hass der zu Objekten Degradierten trifft, weil die aufgestaute Wut irgendwo hin muss.

Die Demokratie wird durch die geplante Einschränkung des Wahlrechts, die Vormacht der Exekutive und die Verachtung des bürgerlichen Rechtsstaats unterhöhlt. Trump lehnte die richterliche Anweisung, eine illegale Deportation rückgängig zu machen, mit den Worten ab: „Wer sein Land rettet, bricht kein Gesetz.“ Vizepräsident J. D. Vance ergänzte: „Richter dürfen die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren!“ Beide legitimieren einen Staat, in dem die Launen des Führers das Rechtssystem ersetzen. Das sind gute Bedingungen für die Tech-Milliardäre an Trumps Seite, die an der Nutzung der Netze ohne demokratische oder ethische Kontrollen interessiert sind.

Wirtschaftspolitisch geht es Trump darum, Wertmasse aus aller Welt in die USA zu lenken. Nach den verlustreichen Kriegen soll sich die militärische und ökonomische Vormachtstellung der USA endlich auch wieder ökonomisch auszahlen. Für Trump ist der Zoll eine Allzweckwaffe. Durch hohe Importzölle soll abgewandertes amerikanisches Kapital zurückgeholt sowie fremdes Kapital gezwungen werden, in den USA zu produzieren, um die chronisch defizitäre Handelsbilanz zu sanieren. Mit den Zöllen und dem Entzug von Sicherheitsgarantien will Trump Nationen gefügig machen. (Zölle sind Steuern, die ausländische Firmen an den US-Staat zahlen und – wie Mehrwertsteuern – über die Preise auf die Bevölkerung abwälzen). Mit den Einnahmen sollen zugleich Steuernachlässe für Reiche refinanziert und Staatsschulden getilgt werden. So der Plan, der nicht funktioniert.

Die Kapitalflucht ist für die Zentren dann ein Problem, wenn der Gesamtwert, den die abgewanderten Konzerne im Ausland erzeugen, im Ausland konsumiert und reinvestiert wird und dort die Märkte erweitert.

„Ausländische Betrüger haben unsere Fabriken ruiniert,“ behauptet Trump. Nein! Es war der Kapitalismus. Das in den Zentren angehäufte konstante Kapital warf nicht mehr die gewünschten Profitraten ab, deshalb suchte das Kapital profitablere Anlagemöglichkeiten und fand sie in weniger entwickelten Ländern. Deshalb hinterließ das Kapital in der Heimat rostende Fabriken und sterbende Städte und sorgte woanders für industrielle Entwicklung. Da der Stundenlohn der Facharbeiter in den Vereinigten Staaten wesentlich höher ist als in Mexiko, China oder Vietnam, werden Bleche für amerikanische Autos in Mexiko gewalzt, lässt Apple 95 Prozent seiner Geräte in 286 chinesischen Fabriken anfertigen und Nike seine Sportschuhe in Vietnam.

Außerdem trug die Arbeitsteilung des Westens dazu bei, dass die USA in der Industrieproduktion zurückfielen, aber in der Waffenproduktion und bei digitalen Geschäftsmodellen weit vorn liegen, während dem industriell seit den achtziger Jahren stärkeren Europa Waffen- und Aufklärungssysteme fehlen. Inzwischen liegt der Anteil der Industriebeschäftigung in den USA bei 19 Prozent, in Deutschland bei 27 und in China bei 32 Prozent. Zum Vergleich: Als Karl Marx das Kapital schrieb, lag der Anteil der Industriearbeit an der gesamten Erwerbstätigkeit in dem industriell führenden Großbritannien (1861) auch nur bei 20 Prozent. Wegen ihrer Deindustrialisierung verbrauchen die USA jedes Jahr Waren für über 900 Milliarden US-Dollar mehr, als sie selber herstellen. Sie werden also vom Ausland alimentiert.

Die niedrigen Preise für Importwaren aus Asien, die den hohen Ausbeutungsgrad entlang der Lieferketten spiegeln, tragen in den Zentren zur Befriedung bei. Andererseits ist die Kapitalflucht für die Zentren dann ein Problem, wenn der Gesamtwert, den die abgewanderten Konzerne im Ausland erzeugen (Gewinne, Löhne, Steuern, Abgaben) im Ausland konsumiert und reinvestiert wird und dort die Märkte erweitert. De facto (nicht de jure) ist Apple kein US-Konzern, sondern ein chinesischer. Der Wandel vom Plantagenimperialismus zur Ausbreitung der Industrien über die Welt hat dazu beigetragen, dass im Ausland mächtige Industrieblöcke und Nationen entstanden sind, die heute mit den alten Zentren konkurrieren und deren Entfaltung hemmen. Die laufende Modernisierung, die die Industrieblöcke in den Zentren revitalisieren soll, wird durch Trumps Verteuerungen und Verwirrungen sowie durch Putins Kriege behindert.

Geblendet von seiner eingebildeten Großartigkeit prahlte Trump: „Sie werden mich jetzt alle anrufen.“ Das mag sein, schützt aber nicht davor, dass die US-Regierung gewaltig unter Druck gerät. Die Zölle auf Importwaren heizen in den USA die Inflation an, an den Finanzmärkten wird ein historischer Vertrauensverlust in den Dollar registriert, die USA verlieren den Nimbus als sicherer Hafen für Geldanlagen, US-Staatsanleihen werden abgestoßen – das gefährdet die Refinanzierung der hochverschuldeten USA. In vielen Warengattungen sind die USA auf China angewiesen. China exportierte 2024 Computer, Smartphones, Medikamente, Spielzeug und vieles mehr für 440 Milliarden US-Dollar in die USA. Die USA verteuern durch die Zölle Importwaren, auf ihre Gesellschaft dringend angewiesen ist, um den Lebensstandard zu halten. Und die Rückkehr von Apple in die USA scheitert bereits daran, dass in den USA Fachkräfte, Zulieferer und Infrastruktur fehlen und die I-Phones fünfmal so teuer wären. Akademiker und Studenten verlassen das Land und der Ruf „Kauft keine Ami-Waren“ nimmt weltweit zu. In den USA kommen Zehntausende zu Protestveranstaltungen, der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom erwähnt auffallend oft, dass ein autarkes Kalifornien die fünftgrößte Wirtschaftsmacht der Welt wäre, Universitäten und Colleges kämpfen gegen die Beschneidung von Bildung und Wissenschaft.

Den stärksten Druck übt China mit dem Lieferstopp der Seltenen Erden aus, die für die US-amerikanische Industrie- und Rüstungsproduktion unerlässlich sind. Bei Seltenen Erden ist China mit einem Anteil von 90 Prozent Weltmarktführer, und der Vorsprung ist so bald nicht aufzuholen, weil Abbaugebiete erst erschlossen werden müssten. Deshalb will Trump Grönland kaufen und die Ukraine kolonisieren. Es ist denkbar, dass die US-amerikanisch-russische Kumpanei mit der gemeinsamen Ausbeutung der Arktis und der Ukraine zu tun hat.

Auch die Abkehr von Europa kann teuer werden. China bietet der EU an, gemeinsam gegen US-amerikanische „Schikanen“ vorzugehen. Über 30 deutsche Unternehmen in China fordern die Bundesregierung schriftlich auf, sich China zuzuwenden, „um wirtschaftlich relevant zu bleiben“. Wegen der russischen Aggression und des geopolitischen Desinteresses der USA an der Nato und an Europa haben Deutschland, Frankreich, Großbritannien und andere Staaten begonnen, eine „Koalition der Willigen“ zu bilden, die eine europäische Verteidigung aufbaut und Absatzmärkte und Freihandelszonen außerhalb der USA erschließt, auf die die exportlastige deutsche Wirtschaft besonders angewiesen ist.

Der wachsende Druck blieb nicht ohne Wirkung. Der Sender CNBC meldete, US-Finanzminister Scott Bessent habe „hinter verschlossenen Türen“ Investoren mitgeteilt, dass die Sonderzölle nicht zu halten seien und Trump mit China reden werde. Trump selbst verkündete, er wolle den Präsidenten der US-Zentralbank Federal Reserve Jerome Powell nun doch nicht mehr entlassen – dies hätte Investoren und Finanzmärkte weiter verunsichert.

„Ich glaube, dass Gott durch ihn spricht,“ sagt Patty aus Milwaukee über Trump, und wundert sich nicht, dass Gott sich im Gossenjargon an sie wendet. Heutzutage rächen die Massen sich am Kapitalismus nicht durch die Hinwendung zum Kommunismus, sondern geben ihn in die Obhut übergeschnappter Narzissten. Dass Trump Solarpanelimporte aus Asien mit einem Zoll von 3521 Prozent belegt, hat mehr mit einem Wutausbruch als mit Ökonomie zu tun.

Vielleicht ist Trump eine historische Entgleisung wie der McCarthy-Terror in den fünfziger Jahren, vielleicht auch Teil einer neuen dunklen Epoche, die nicht auf die USA beschränkt ist. Der Bewusstseinsverfall spiegelt sich im Aufschwung faschistischer Parteien in Europa und in südamerikanischen Kettensägen-Präsidenten; er war zu spüren, als auf das Massaker an Jüdinnen und Juden mit Anfeindungen gegen Israel reagiert wurde. Die Enthumanisierung äußert sich, wenn der Ukraine keine Waffen geliefert werden sollen, was zwangsläufig auf die Vernichtung der Ukraine hinausliefe.

Wer die Ausdehnung des Westens für Putins Kriege verantwortlich macht, negiert, dass weder der Westen noch die Nato Osteuropa überfallen haben. Vielmehr haben demokratisch gewählte Regierungen den „Westen“ auf Wunsch ihrer Bevölkerungen eingeladen. Das Argument drückt die Verachtung für Demokratie und befreiende Lebensumstände aus, die in Westeuropa eher zu haben sind als in der Putin-Diktatur. Und die Formel, dass Kriege nur durch Diplomatie beendet würden, ist dummes Zeug. Erstens werden Kriege in der Regel durch Kapitulation, Erschöpfung oder Aufstände beendet. Zweitens wird mit Russland verhandelt, während gleichzeitig russische Raketen in ukrainische Wohnviertel fliegen.

 

 

Erschien in Jungle World Nr. 18 vom 30.April 2025